Es gibt Bücher, da lohnt es sich dran zu bleiben. Der erste Eindruck ist schlicht verheerend, aber dann entwickelt sich doch noch etwas lohnenswertes, ein Thriller der Spaß macht.
So ist mir das mit „Nachtkiller“ von Simon Kernick ergangen. Das Buch startet mit einer Jane Kinnear, die zu einem vergleichsweise Fremden ins Haus geht: Nach dem dritten Date, so hat sie beschlossen, ist die Zeit reif für Sex. Dazu soll es nicht kommen. Erst erscheint die Ehefrau des Geliebten, von der Kinnear nichts wusste, und dann tauchen auch noch zwei Profikiller auf und töten das Ehepaar. Die verhinderte Geliebte kann entkommen, weil sie sich unterm Bett versteckt.
Schwacher Einstieg, furioses Finale
Der Einstieg in „Nachtkiller“ ist wirklich sehr banal, unglaubwürdig obendrein und eine Ansammlung von Klischees. Tatsächlich wird der Einstieg später noch gebraucht. Zunächst beginnt vor dem Hintergrund der alles überschattenden Angst vor dem Terror eine sehr komplexe Jagd nach dem Täter und potentiellen Attentäter, die England in Angst und Schrecken versetzen könnten. Die jagende Meute wird von Ray Mason angeführt, einem abgebrühte Cop in Diensten einer Antiterroreinheit der Londoner Polizei. Es sei nicht mehr verraten, nur so viel: Um Mason herum stapeln sich die Leichen, ganz so als sei man krimitechnisch nicht im beschaulichen England sondern im Herzen der USA unterwegs.
Drei gute Gründe für Nachtkiller
Was ändert nun das anfänglich desaströse Bild. Erstens baut Simon Kernick eine raffinierte Kulisse auf, legt falsche Spuren, wirft dem Leser Informationsbrocken hin, die erst später Sinn zu machen beginnen. So webt er eine interessante Geschichte mit überraschenden Wendungen. Zweitens hat sich Kernick interessante Figuren ausgedacht, die für einen tempoorientierten Thriller überraschende Tiefe und spannende Biographien erzählen. Drittens schraubt Kernick das Tempo nach wenigen Seiten hoch und kann es zum veritablen Showdown hin, immer weiter steigern.
Simon Kernick liefert solides Krimihandwerk
Dass dabei sprachliche Finesse, gesamtgesellschaftliche Betrachtungen und psychologische Tiefe auf der Strecke bleiben? Geschenkt. „Nachtkiller ist kein Kunst-, aber sehr solides Krimihandwerk, solches zudem das bestens unterhält.
Simon Kernick, Nachtkiller, Heyne, 463 S., 9,99€, VÖ: Mai 2017